Freitag, 24. Mai 2024

Demokratie in Schaumburg-Lippe

Über die Demokratie wird derzeit viel gesprochen. (Wobei mir immer Bedenken kommen, wenn über eine Sache zu viel geredet wird, die eigentlich selbstverständlich sein sollte. Aber das ist eine andere Sache.) Wenn über Schaumburg-Lippe gesprochen oder geschrieben wird, ist oft die Rede von den „Fürstenkindern“, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Zwar gab es hier bis 1918 einen regierenden Fürsten (der als letzter Fürst 1936 tödlich verunglückt ist, seitdem gibt es keinen Fürsten mehr hier im Lande), aber selbst vor 1918 gab es in diesem Land demokratische Entwicklungen. So gründete der Graf Wilhelm 1775 ein „Institut zur Verbesserung des Nahrungsstandes“, das durchaus einige Elemente enthielt, die man als Volksbeteiligung deuten könnte, worauf er selbst wohl nicht gekommen wäre). 

1815 erhielt Schaumburg-Lippe eine „Verfassung“, die allerdings keine Grundrechte enthielt, sondern nur die Einrichtung eines Landtags (in dem nun auch Bauern saßen) und dessen Rechte bei den Landesfinanzen. 1848 dann ging es schon etwas weiter, Volksversammlungen wurden auch hier abgehalten, der Landtag wurde reformiert, eine Verfassung wurde gefordert. Dass daraus nichts wurde, lag nicht an den Schaumburg-Lippern, denn über den Erfolg der Revolution wurde andernorts entschieden, nicht hier. 

1918 schließlich kam es hier auch zur Abdankung des Fürsten und dann zur Bildung eines Freistaates. Die Revolution war eher zurückhaltend, der Übergang von der alten zur neuen Ordnung vollzog sich ruhig und ohne Gewalt. Doch dann entwickelte sich in diesem Kleinstaat, an dessen Sinn man zunehmend zweifelte (aber den die Bürger dennoch erhalten wissen wollten) eine durchaus wehrhafte Demokratie, getragen vor allem von den Mitgliedern der SPD und der Deutschen Demokratischen Partei, die sich später Deutsche Staatspartei nannte. Diese beiden waren es auch, die 1931, nach der letzten freien Landtagswahl, ein Bündnis schlossen. Die Sozialdemokraten hätten auch gern mit dem kommunistischen Landtagsabgeordneten eine Koalition gebildet, aber der sah in ihnen nur „Sozialfaschischten“. Nach der Wahl Hitlers zum Reichskanzler organisierte dieser Landtagsabgeordnete einen Protest gegen, man beachte die Reihenfolge, die „Lorenz-Bredthauer-Regierung“ (das war die gewählte demokratische Regierung des Landes Schaumburg-Lippe!) und erst dann gegen die Hitler-Papen-Regierung. Die Republik von Weimar wurde von rechts und von links angegriffen, was oft vergessen wird. Am Ende zerstörten die Nazis nicht nur die Demokratie, sondern Deutschland. 

Dank der Landtagswahl von 1931 und einer starken SPD blieb es bis 1933 bei einer handlungsfähigen Regierung in Schaumburg-Lippe, in der Nationalsozialisten nicht beteiligt waren. Das war damals eine Besonderheit, die nicht vergessen werden sollte. Erst nach dem 5.3.1933 wurde die hiesigen Regierung durch einen Reichskommissar abgesetzt.

Der schaumburg-lippische Landtag, heute Gerichtsgebäude, war in den letzten Jahren der Republik ein Ort, an dem hart um die Demokratie gekämpft wurde. 

Literatur: 

Höing, Hubert, Hrsg., Vom Ständestaat zur freiheitlich-demokratischen Republik: Etappen in Schaumburg, Schaumburger Studien 55.  Melle 1995. 

Siehe auch meine Schneiderstube: https://youtu.be/zLzKaMSc2Tw 

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